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DER ARTBEGRIFF BEIM PORTO-SANTO-KANINCHEN, BEI HAUSTIEREN UND BEIM MENSCHEN

 

Sehen wir uns ein weiteres Beispiel für geographische und ethologische Isolation näher an. Angermann berichtet über das Kaninchen 1979, pp. 441/442:

Eine besonders interessante Rolle in der Geschichte dieser Tierart spielt das PORTO-SANTO-KANINCHEN (Oryctolagus cuniculus huxleyi), denn es ging als angeblich einziges Säugetier, das sich nach Ansicht von Darwin und Haeckel innerhalb geschichtlicher Zeit zu einer neuen Art entwickelt haben soll, in die Geschichte der Abstammungslehre ein. Zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts setzte man auf der kleinen Insel Porto Santo nördlich von Madeira einige Hauskaninchen - eine Häsin mit ihren Jungen - aus. Die Tiere verwilderten und vermehrten sich rasch in so starker Weise, daß die Siedler schließlich die Kolonie aufgeben mußten. Noch heute bevölkern ihre Nachkommen die Insel in großer Zahl. Nun stellte Darwin bei einem Vergleich des Porto-Santo-Kaninchens mit dem englischen Wildkaninchen eine Reihe von Besonderheiten fest; und da alle Versuche, das Porto-Santo-Kaninchen mit Hauskaninchen zu paaren, keinen Erfolg hatten, sahen Darwin und Haeckel es als neuentstandene Art an.

Hans Nachtsheim hat das Rätsel dieses vielbesprochenen Inselkaninchens gelöst: "Seinem Körperbau nach ist das Porto-Santo-Kaninchen das kleinste Kaninchen, das existiert; es ist kaum größer als ein Meerschweinchen, sein Gewicht geht nur wenig über ein halbes Kilo hinaus. Seinem physischen Verhalten nach ist es das wildeste von allen Wildkaninchen. Der Kleinheit und Wildheit des Porto-Santo-Kaninchens dürfte es zuzuschreiben sein, daß Darwins Kreuzungsversuche erfolglos geblieben sind. Mitteleuropäische Wildkaninchen, mit denen Darwin die Kreuzung versuchte, sind zu groß für die Paarung mit dem Porto-Santo-Kaninchen, zumal das ungebärdige Verhalten der Tiere ihre Vermehrung in der Gefangenschaft selbst bei Reinzucht äußerst erschwert. Es läßt sich nur dadurch eine Aufzucht von Jungen erreichen, daß man die Neugeborenen von zahmen Ammen aufziehen läßt. Unter Beachtung dieser und anderer Tatsachen gelang uns die Paarung des Porto-Santos mit möglichst klein gebliebenen Kaninchen, und zwar mit der nächst dem Porto-Santo kleinsten Wildrasse, dem Wildkaninchen der Mittelmeergebiete, und mit der kleinsten Zuchtrasse, dem Hermelin, sowie mit Kreuzungen aus diesen beiden. Die Nachkommen aus den Paarungen mit Porto-Santo-Kaninchen sind durchaus lebensfähig und voll fruchtbar. So dürfen wir also schließen: Darwins Ansicht, daß das Porto-Santo-Kaninchen in vier Jahrhunderten aus einem Hauskaninchen zu einer eigenen wilden Art geworden sei, hat sich nicht als richtig erwiesen. Es ist wieder ein Wildkaninchen geworden, das aber eine eigene Rasse verkörpert."

Wir sehen an diesem Beispiel, dass bei dem 'ungebärdigen Verhalten' des Porto-Santo-Kaninchens einfaches Zusammenführen mit einer anderen Kaninchenrasse nicht genügte, die Kreuzung vielmehr eine ganz besondere Auswahl der kleinsten Wild- und Zuchtrassen als Partner und dazu noch zahme Ammen voraussetzte. Erst äußerstes Geschick des Forschers führte zum Erfolg. Da die Nachkommen lebensfähig und fruchtbar sind, schloss Nachtsheim, dass es sich hier nicht um eine neue Kaninchenart, sondern nach wie vor um das europäische Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) handelt, welches auf Porto Santo eine neue Rasse (Selektion weniger Rekombinanten) ausgebildet hatte, und die meisten Autoren haben sich ihm angeschlossen. Nach dem Artbegriff der Synthetischen Evolutionstheorie müsste aufgrund der ethologischen Isolation dem Porto-Santo-Kaninchen jedoch der Status einer eigenen neuen Art eingeräumt werden.

Hemmer berichtet 1983, p. 149:

Eine klare Vergesellschaftungs-Isolation selbst in Gefangenschaft besteht zwischen dem früh in der Kaninchendomestikation verwilderten Porto-Santo-Kaninchen und heutigen Hauskaninchen. In einer kleinen, von E. Stodart und K. Myers künstlich geschaffenen Wildkaninchen-Hauskaninchen-Mischpopulation trennten sich Haus- und Wildtier, mit der Ausnahme eines einzigen Wildmännchens, das sich der Hauskaninchengruppe anschloß, in Reinverbände. Einzelne freigesetzte Hauskaninchenweibchen wurden hingegen in eine Wildpopulation aufgenommen, einzelne Männchen nicht.

Davor erwähnt er das Beispiel der auf Hawaii ausgesetzten Mufflonböcke, die sich nur dann Gruppen verwilderter Hausschafe anschlossen, wenn sie einzeln freigelassen wurden. "Waren aber bereits mehrere Mufflons in der Gegend, so führte dies zur Entstehung eigener kleiner Mufflon-Banden und damit zur getrennten Vergesellschaftung. Mufflon-Hausschaf-Kreuzungstiere vereinigten sich mit den Hausschafen."

Hemmer ist der einzige mir bisher bekannte Autor, der in Verbindung mit der Domestikation von Artbildung gesprochen hat (p. 147):

Haustierwerdung als Spezialform regressiver Evolution birgt gleichzeitig den Beginn einer Speziation, das heißt, einer neuen Artwerdung, in sich.

Nach Aufführung der verschiedenen Isolationsmechanismen (Vorpaarungs- und Nachpaarungsmechanismen, wobei zu den Ersteren jahreszeitlich-saisonale und tageszeitliche Verschiebungen, ökologische, ethologische und strukturelle Isolationsmechanismen aufgeführt werden) wendet er den neodarwinistischen Artbegriff mit zahlreichen Beispielen auf die Haustiere an. Einige Punkte wollen wir zitieren (pp. 149/150):

Falls bei gemeinsamem Vorkommen verwilderter Haustiere und ihrer Wildart nicht eine der beiden Formen nur in einzelnen Exemplaren existiert, denen zur Verpaarung ausschließlich Partner der anderen Form zur Verfügung stehen, wie in dem genannten Mufflon-Hausschaf-Experiment auf Hawaii, so läßt die gemeinsame Wirkung aller dieser Isolationsmechanismen eine deutliche Einschränkung der rein zufälligen Verpaarungswahrscheinlichkeit von Wildtier und Haustier erwarten, wenn sie auch keine totale Schranke setzt. Einen experimentellen Beleg bietet die von Rasbergen Reimov, Krystyna Adamczyk und Roman Andrzejekwski zusammengestellte und studierte Mischpopulation von Wildmäusen und weißen Labormäusen. Unter insgesamt 18 aus dieser Population trächtig gefangenen Albinomausweibchen waren, wie sich aus der Färbung ihrer Jungen leicht ablesen ließ, 16 allein von Albinomausmännchen gedeckt. Zwei Tiere brachten sowohl weiße als auch wildfarbene Junge, so daß hier offenbar Doppelbefruchtung durch Albinomäuse und Wildmäuse vorlag. Schätzt man einen Isolationsindex als das Verhältnis der tatsächlich gefundenen zu der bei rein zufälliger Verpaarung zu erwartenden Zahl von Bastarden ab, so ergibt sich ein Wert in der Größenordnung 0,1. Ein solcher Wert liegt noch um mindestens das Doppelte höher, als es bei gut getrennten Wirbeltierarten zu erwarten ist. Er weist andererseits gleichzeitig aber die Existenz durchaus wirksamer Isolationsmechanismen nach. Dem entspricht prinzipiell das Bastardierungsergebnis in der kleinen, oben angeführten Wildkaninchen-Hauskaninchen - Mischpopulation, wo bei 67 Jungen der Wildkaninchenweibchen überhaupt keine Bastarde vorkamen, bei 78 Hauskaninchenjungen nur 15 Bastarde gefunden wurden. Der Wert des Isolationsindex liegt hier bei 0,2. Auf ähnlich eingeschränkte Durchmischung weisen Befunde an der hawaiianischen Mufflon- und verwilderten Hausschaf-Population, sowie an Wildziegen- und verwilderten Hausziegen-Populationen auf ägäischen Inseln hin. Entsprechend sollten europäische Waldwildkatzen nach vielen Jahrhunderten andauernder Möglichkeit der Verpaarung mit streunenden Hauskatzen viel stärkere Bastardierungsfolgen aufweisen, als es tatsächlich der Fall ist, sollten im Vorderen Orient die Wölfe längst eine mehr oder minder einheitliche Mischpopulation mit den Pariahunden gebildet haben, falls nicht in allen diesen Fällen ziemlich wirksame Isolationsmechanismen existierten. Haustiere sind ihren Wildarten gegenüber also auf den Weg eigener Artbildung gekommen, wenn dieser Weg auch nicht zu abgeschlossenen Trennungen geführt hat. Wir haben offensichtlich eine Zwischenstufe vor uns, wie sie auch im Zuge natürlicher Artbildung, natürlicher Evolution stets durchlaufen werden muß.

Da aber bei der Benennung immer noch die entweder-oder-Entscheidung notwendig ist und als Semispezies bewertete Wildformen gewöhnlich mit neuen Artnamen belegt werden, schlägt der Autor grundsätzlich eigene Artnamen für die Haustiere vor: "Auf diese Weise kann das früher übliche Verfahren beibehalten werden, Haustiere nomenklatorisch so zu behandeln, als ob sie eigene Arten darstellten, die Hauskatze also im Gegensatz zur wilden Stammart, Felis silvestris, als Felis catus zu führen, den Hund im Gegensatz zum Wolf, Canis lupus, als Canis familiaris benennen, das Hauspferd anstelle von Equus ferus, dem Wildpferd, als Equus caballus zu bezeichnen, das Hausrind als Bos taurus vom Ur, Bos primigenius, zu trennen." (Weitere Beispiele in dem Buch des Verfassers.)

Die meisten Haustierforscher wie die oben zitierten Autoren Nachtsheim und Stengel (1977), Herre (1981), Herre und Röhrs (1971, 1973) u.v.a. haben eine solche Einstufung von Haustieren als 'Halbarten' mit neuen Artnamen abgelehnt. Ich erinnere an die Worte Herres, dass durch die Haustiere besonders deutlich wird, "daß morphologischer, physiologischer oder ökologischer Wandel nicht mit Artbildung verknüpft sein muß", - an seine Mahnung, falsche Artabgrenzungen zu vermeiden - , dass sich "im Hausstand nur ein innerartlicher Merkmalswandel und keine Artbildung" etc. vollzieht.

Ist diese Beurteilung Herres und anderer Autoren berechtigt? Die Frage wird mit einer konsequenten Anwendung der Vorpaarungs-Isolationsmechanismen beantwortet:

Wie sähe z.B. der Isolations-Index zwischen Populationen der Deutschen Dogge und Brabanter Griffon (Abb. nächste Seite) in einem Freigehege aus? Wäre die freie Durchmischung nicht geringer als zwischen vielen Populationen einer Wildart und deren Abkömmlinge, der Haustierform? Bei Anwendung des Hemmerschen Vorschlags müssten auch zahlreiche Hunderassen als eigene, neue Arten mit entsprechenden Artnamen geführt werden.

 

Abbildung 14: Gestromte Deutsche Dogge, Rüde, Schulterhöhe 96 cm; Brabanter Griffon, Rüde, Schulterhöhe 27 cm. Aus Nachtsheim und Stengel 1977.

Zahlreiche weitere Beispiele für Isolationsmechanismen zwischen verschiedenen Rassen ein- und derselben Haustier-"Art" können zitiert werden. Immelmann berichtet, dass sexuelle Prägung "offenbar eine besonders wirkungsvolle Isolation zwischen verschiedenen Arten zu gewährleisten" vermag und darüber hinaus "auch zu einer Einschränkung des Genflusses innerhalb einer Art" führen kann". Er schreibt (1970, p. 311), dass bei den Prachtfinken (Estrildidae) die Angehörigen der verschiedenen Farbmutanten von Taeniopygia und Lonchura unabhängig von ihrer eigenen Gefiederfarbe jeweils auf diejenige Farbe geprägt sind, die ihre Eltern bzw. Stiefeltern zeigten - was auch auf so altbewährte Haustiere wie Haustauben, -enten und -hühner zutrifft - und berichtet:

Im Experiment erwies sich diese Farbprägung als ähnlich stabil wie die Prägung auf eine andere Art: In sechs zweijährigen Modellversuchen wurden ins Geschlechtsverhältnis 1:1 jeweils 4 weiße und 4 wildfarbene, auf die eigene Farbrasse geprägte Zebrafinken (4 Versuche) bzw. je vier ebensolche weiße und dunkelbraune Mövchen (2 Versuche) in großen Brutvolieren gehalten. In allen Fällen verpaaren sich die Angehörigen einer Farbrasse nur untereinander. Verpaarungen zwischen den Farben kamen bis zum Ende der Versuche nicht vor. Das zeigt die Stärke der Isolation, die sich allein durch die individuelle Fixierung auf eine bestimmte Gefiederfarbe und trotz ihrer völligen Übereinstimmung in den übrigen Merkmalen (Lautäußerungen, Verhalten) zwischen den Farbmutationen ergeben kann. Die gleichen potentiellen Isolationsmechanismen auf der Grundlage sexueller Prägung sind für verschiedene Farbrassen von Haustauben (35), Hausenten (31) und Haushühnern (18, 19) nachgewiesen worden.

Da von Lonchura und Taeniopygia in Freiheit keine Färbungsphasen bekannt sind, ist dieses experimentell untersuchte Beispiel zunächst nur von theoretischem Wert. Es gibt jedoch polymorphe Estrildiden (Chloebia, Erythrura), bei denen 2-3 hauptsächlich in der Färbung des Kopfgefieders unterschiedene Phasen auch im Freileben und - wie bei Chloebia festgestellt werden konnte (11) - in den gleichen Schwärmen und Brutkolonien vorkommen. Es erscheint als sicher, daß in diesen Fällen sexuelle Prägung sehr wesentlich zur Erhaltung des Polymorphismus beiträgt.

Wenn ethologische, mechanische und andere präzygotische Isolationsmechanismen tatsächlich als Arten trennend aufgefasst werden sollen, dann müsste die Anwendung eines solchen Artbegriffs konsequenterweise auch bei den Prachtfinken, Haustauben, Hausenten und Haushühnern zur Aufspaltung in zahlreiche getrennte Arten mit neuen Artnamen führen. Die Anwendung dieses Artbegriffs nicht nur auf Isolationsmechanismen zwischen Wild- und Haustieren, sondern auf die verschiedenen Haustierrassen selbst, würde zu einer sinnlosen Artaufspalterei und zu einem nomenklatorischen Chaos führen. Die Ablehnung von Herre und anderen ist damit berechtigt.

Wie steht es nun mit der Mahnung Herres an die Systematiker, aufgrund des Sachverhalts bei den Haustieren (pp. 33/34 dieser Arbeit) "ganz allgemein bei der Aufstellung neuer Arten nachdenklich und zurückhaltend" zu sein? D.h., ist der Umkehrschluss erlaubt: Da bei Haustieren präzygotische Isolationsmechanismen nicht ausreichen, um sie in den Rang eigener Arten zu stellen - wie steht es dann mit Wildformen, die nur durch Vorpaarungs-Isolationsmechanismen voneinander getrennt sind? Müssten solche Wildformen nicht auch zu einer Art vereinigt und als verschiedene Rassen aufgeführt werden?

Da solche Formen miteinander kreuzbar sind und voll fertile Nachkommen haben können, ist es nur konsequent, sie als verschiedene Rassen einer Art zu beschreiben, zumal die morphologischen und ethologischen Unterschiede zwischen solchen Wildarten oft viel geringer sind als zwischen Wildarten und den von ihnen abstammenden Haustieren. Im Übrigen wird dadurch und mit Hilfe der tertiären Nomenklatur der genetische Zusammenhang der Formen unmittelbar vor Augen geführt und zugleich die Sonderstellung der verschiedenen Gruppen innerhalb der Arten gezeigt.

Dass diese Methode tatsächlich vernünftig ist, soll noch einmal anhand der einen Art Homo sapiens mit ihren vielen Varianten, Formen und Rassen veranschaulicht werden. Goldschmidt hat 1940, pp. 121-123 an einem fiktiven, aber sehr instruktiven Beispiel die Frage nach dem Status der verschiedenen Menschengruppen auf unserer Erde klar gezeigt (dass Systematiker aus morphologischer Sicht tatsächlich zahlreiche Menschenarten unterschieden haben, wurde mit der Systematik Haeckels und den Hinweisen Mayrs oben schon berichtet). Goldschmidt schreibt:

At this point of our discussion there ought to be mentioned a rather informative example which is rarely discussed in the light of our problem; namely, the subspecific differentiation of the human race. Though it is possible that different species of the genus Homo have existed and have disappeared again, nobody can fairly claim that present mankind belongs to more than one species. Let us suppose that a giant collector from Mars (Spätestens seit den genauen Messdaten amerikanischer Satelliten zur Frage nach Leben auf dem Mars hätte man den 'collector' wahrscheinlich ferner im All angesiedelt. Das Beispiel ist jedenfalls sehr instruktiv.) visited the earth, made a collection of human beings, and returned to work them up in his Martian museum. He would most certainly come to the conclusion, in applying usual taxonomic standards, that he had found a new family, Hominidae, and within this a number of very distinct genera, like the white, the black, the brown, the yellow man. Within these genera he would distinguish species or ecospecies, replacing each other geographically. For example, he would identify in the black genus the species Bantu, Bushman, Hottentot, Pygmy, Australian (Kursiv vom Verfasser.). Within some species with a rather large geographical range he would find geographical races; e.g., the different tribes of Negroes across the center of the African continent. If the collection were large enough he would meet with isolated subspecies, with very different insular forms, with subsubspecies down to small hordes, with differential specific traits. (Regarding the latter point, not generally known, I think, I might mention a personal observation among the semisavage head-hunting tribes of Formosa (1927a). I noticed that in two different small tribes of this Malaylike group the men within the tribe resembled each other to such an extent in certain features of the face that they might have been picked out of a crowd as brothers. The genetical basis, homozygosity by inbreeding, is obvious.) In short, his description would closely compare with innumerable other taxonomical studies, and it would also be perfectly correct, as far as information goes. But the next collector might have better chances to observe his specimens and he would find difficulties. He might reach the same conclusion as have recent students of insular faunas (Galapagos finches, Hawaiian drepanids) (see below), that from a taxonomic point of view all the forms might also be assigned to a single species, though the morphological and ecological differences between Negrito and Swede, Papuan and Eskimo, Hottentot and Chinese are quantitatively just as large as are those between different so-called genera; e.g., of gall wasps. The next Martian visitor might be a geneticist who would notice that all these forms, if given a chance, interbreed and produce fertile offspring. He would notice that this also applies to cases in which differences in the structure of the genitals exist (the Hottentot-Boer hybrids), and he would state with perfect confidence that only a single species, with many sub- and subsubspecies, exists. Now, there can be no doubt that many of the isolated human subspecies or end-members of a series are as different from each other as are extreme subspecies in animals. There is no doubt that some subspecies, like those in animals, have been isolated for a very long time. There is no doubt that the time available for subspecific differentiation has been about the same as that which is assumed for the cases in animals and plants. There may also be detected at some points the presence, due to migration, of two races which are interfertile but which do not produce hybrids on account of psychological isolation. Such an occurrence would be a special feature without any evolutionary significance. We conclude, then, that if the subspecies is an incipient species, this must also be the case for the major human races. I wonder whether anybody would be willing to accept such a conclusion!

Fest steht, dass weder morphologisch-physiologische Unterschiede noch ethologische Isolation uns dazu führt, beim Menschen zahlreiche Arten aufzustellen. Die geographische Isolation ist überdies z.B. zwischen australischen Ureinwohnern, Chinesen und Indianern so vollständig, dass sie praktisch jeden Genfluss unterbindet - dennoch wissen wir, dass wir alle zur selben Art gehören und kein Forscher spricht in Verbindung mit dem Menschen von 'Halb'- oder 'Fastarten', die auf dem besten Wege sind, sich zu vollständig neuen Arten zu entwickeln.

Das Rassenkreisschema, das eine "vollkommene Demonstration der Speziation" etc. sein sollte, lässt sich samt ethologischer Isolation ebenfalls auf den Menschen anwenden. In Anlehnung an Formulierungen Jacobs (1969, p. 126) zur Verbreitung von Silber- und Heringsmöwe, habe ich das (1971, p. 28) wie folgt ausgeführt (damals noch ohne Kenntnis der oben zitierten Ausführungen Goldschmidts): "Von Zentralafrika ausgehend, wo nur dunkle 'Formen' des Homo sapiens vorkommen, über das östliche Nordafrika, dann Arabien, darauffolgend die Türkei, Südeuropa, Mittel- und Nordeuropa stellen wir fest, dass die Formen auf diesem "langen kontinuierlichen Verbreitungsgebiet" immer heller werden; geht man weiter nach Westen bis nach Nordamerika, wo beide Extremformen vorkommen, so stellt man erstaunlicherweise fest, "daß in dieser Kontaktzone keine Vermischung mehr auftritt. Diese Endpopulationen stellen zwei echte Arten dar, sie sind reproduktiv voneinander isoliert, sie haben getrennte Gen-Poole.""

Die Formulierung vom "langen kontinuierlichen Verbreitungsgebiet" und die Behauptung, dass in der Kontaktzone keine Vermischung mehr auftritt sowie der Schlusssatz stammen von Jacobs für das Möwenbeispiel. Ich habe ja oben schon ausgeführt, wie es in Wirklichkeit mit der erhofften Kontinuität dieses Beispiels aussieht. Weder bei den Möwen noch beim Menschen gibt es diese vollkommene Kontinuität. Weder bei den Möwen noch beim Menschen entstehen auf diese Weise neue Arten.

Interessanterweise hat Mayr selbst vor Jahrzehnten hervorgehoben, dass die neodarwinistischen Erwartungen beim Thema Rassenkreise weitgehend enttäuscht worden sind, als er schrieb (1942, p. 114):

As the new polytypic species concept began to assert itself, a certain pessimism seemed to be associated with it. It seemed as if each of the polytypic species (Rassenkreis) was as clearcut and as separated from other species by bridgeless gaps as if it had come into being by a separate act of creation. And this is exactly the conclusion drawn by men like Kleinschmidt and Goldschmidt. The claim that all the evidence for intergradation between species which was quoted in the past was actually based on cases of intraspecific variation, and, in all honesty, it must be admitted that this claim is largely justified.

Wenn man sich klarmacht, was nach der Theorie einer kontinuierlichen Entwicklung zu erwarten war, - dass nämlich Rassen bei weiter Verbreitung in Anpassung an die verschiedensten geographischen Verhältnisse in unterschiedlichen Längen- und Breitengraden, - an die verschiedensten Höhenlagen und Bodenverhältnisse (um nur einmal ein paar Faktoren des nicht-lebenden Milieus zu nennen), ganz langsam in neue Arten und diese in neue Gattungen und Familien übergehen sollten - dann dürfte die Diskrepanz zwischen Theorie und Realität noch stärker hervortreten. Angesichts der ursprünglichen Erwartungen und Forderungen erscheinen Meisen- und Möwenbeispiel ausgesprochen dürftig.

Wir möchten auf weitere Punkte in Verbindung mit der geographischen Verbreitung später noch einmal zurückkommen und uns jetzt der schon wiederholt erwähnten mechanischen Isolation zuwenden.

 


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